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Dance Machine - Interactive Dance Performance

Dance Machine - Interactive Dance Performance

„Dance Machine“ ist eine interaktive Tanzperformance. Das Performancekonzept widmet sich der Verwandlung vom Mensch zur Maschine und geht auf künstlerische Weise der heutigen Beziehung zwischen diesen beiden auf den Grund. Dabei ist besonders wichtig, dass die Performance und nicht die Technik oder der Musiker mit seiner Musik im Vordergrund steht, denn so kann jeglicher Interpretation des Publikums Raum gegeben werden.

In fünf aus Stoff und Gummi genähte Teilmodule sind analoge Sensoren eingearbeitet, welche es der Tänzerin möglich machen durch ihre Bewegung Töne und Klänge zu erzeugen. Diese sitzen an den Beugern (Ellenborgen und Knie) der Extremitäten und können durch ein Wechselspiel der Bewegungen effekthaft beeinflusst und manipuliert werden.

Ideenfindung

Der Impuls für dieses Projekt kam von Marie-Luise. Für sie stellen Musik und vor allem Tanz, schon immer treibende Kräfte dar. In ihren Augen sind dies zwei der wahrscheinlich ausdrucksstärksten Formen der Kommunikation für uns Menschen.

Einerseits entstand die Idee aus einer großen Begeisterung und Interesse für experimentelle Tanzperformances und damit gleichzeitig Choreografinnen wie Pina Bausch oder Sascha Waltz. Auf der anderen Seite aus einer Fragestellung, die schon länger Thema ist, aber bislang keine richtige Chance zur Auseinandersetzung fand: Kann Musik als Rhythmusgeber für Bewegung eingesetzt werden? Oft hören wir Musik (Musik als Input) und beginnen als Rezipient uns zu bewegen (Bewegung als Output) (Clubs, Festivals, Partys, professionelle Tanzaufführungen, Konzerte, etc.). Wieso aber nicht den In- und Output umkehren? – Die Bewegung sei nun der Input und durch ein Interface wird der Output zu Tönen, Klängen oder gar einem ganzen Musikstück übersetzt? Dazu bedarf es nur einem Interface, welches sich dieser Interaktion in ausgefeiltem Maße und mit gutem Konzept annimmt.

Prozess und Entscheidungen

Nach kurzer Zeit äußerte Jonathan sein Interesse an der Idee und stieg in das Projekt ein. Von Anfang an hatten wir beide bezüglich des Konzepts ähnliche Vorstellungen und arbeiteten daher sehr gut zusammen. Wir waren uns einig, dass wir kein Interface für die breite Masse bauen werden, sondern uns an PerformancekünstlerInnen, TänzerInnen, Companies usw. wenden möchten. So sollten in unserem Projekt MusikerInnen mit ihrer Musik nicht in den Vordergrund gerückt werden, sondern die Performance, welche durch das Interface gestaltet wird. Es galt, den technischen Aspekt im Hintergrund zu halten und dadurch dem Publikum Interpretationsspielraum zu geben.

Konzept

Die Performance ist in verschiedene Phasen unterteilt, welche die Veränderung vom Mensch zu Maschine beschreiben. Dies ist ein in unserer Gesellschaft immer relevanter werdendes Thema, welches wir auf künstlerische Art beleuchten möchten: Maschinen denen der Mensch eine eigene Persönlichkeit geben möchte, Maschinen die für uns handeln und denken sollen, aber als Resultat eben auch Maschinen die uns teilweise zu übermannen scheinen.

Mit seinem Ton und Rhythmus ist der menschliche Atem Ausgangspunkt unseres Konzepts. Es gibt an dieser Stelle spannende Parallelen zwischen dem Mensch und einer Maschine: Denn ein regelmäßiger Atem findet sich bei Maschinen in Form einer regelmäßigen Taktfrequenz häufig wieder. Laufen sie einmal rund, könnte man teilweise Lebendigkeit, Emotionen oder gar Stimmungen in sie hinein interpretieren.

In der Performance gehen wir vom Rhythmus und Klangs eines menschlichen Atems hin zu einem immer starrer werdenden mechanischen Takt, der Maschine. Durch verschiedene Sensoren werden unterschiedliche Modulation und Effekte gesteuert, die diese Veränderung dramatisch zur Verwandlung treiben. Der Mensch, hier unsere Tänzerin, versucht sich recht schnell gegen die anfänglich noch etwas zurückhaltende Maschine zu währen und rebelliert. Doch die Maschine übermannt sie. Ist jedoch schnell mit den gerade neu dazugewonnenen menschlichen Fähigkeiten überfordert und schaltet sich in letzter Konsequenz ab.

Bei der Gestaltung der Töne erhielten wir viel tatkräftige Unterstützung von Daniel Roth.

Konzept: Illustrationen zur Erläuterung

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Umsetzung: Sensoren

Als technische Umsetzungsbasis nutzen wir das Midi-fähige Teensy-Board. Unsere erste Recherche befasste sich mit der Feststellung der am besten zur Anbringung von Sensoren geeigneten Körperstellen und –teile. Hierfür begannen wir mit einer befreundeten Tänzerin zu arbeiten. Sie zeigte uns mit kleinen Tanzabfolgen, dass vor allem die Beuger (Arm- und Beinbeuger/Ellenbogen und Knie) während einer Tanzperformance bewegt werden. Die Gelenke der Extremitäten eigneten sich aufgrund der Prägnanz der möglichen Bewegung am besten. Wir entschieden uns daher, Sensoren an den Ellenbogen und den Knien zu installieren.

Im nächsten Schritt befassten wir uns mit den verschiedenen Sensoren. Da im Feld „Wearable Electronics“ schon Vorerfahrung vorhanden war konzentrierten wir uns schnell auf verschieden elektrisch leitende Jersey-Stretchsensoren. Leider stellte sich heraus, dass diese textilen Stretchsensoren nicht besonders präzise waren und unseren Ansprüchen nicht genügen würden. Nach einiger Recherche und Hilfe von Stefan Hermann experimentierten wir nun mit Flexsensoren, welche sich für unseren Zweck als präziser und leichter zu verarbeiten erwiesen.

Die verwendeten Sensoren verstärkten wir an einer Sollbruchstelle mit Hilfe eines Schrumpfschlauchs und einer alten zerschnittenen Kreditkarte. Die so ausgegebenen Werte waren nun präzise und reproduzierbar. Durch unseren kleinen „Hack“ der Flex-Sensoren konnten wir außerdem auch der Tänzerin die Angst nehmen, die von Haus aus instabilen Flex-Sensoren durch heftige Bewegungen zu beschädigen.

Neben der Flexsensoren fanden wir bei Tinkersoup einen textilen Drucktaster, den wir für den Wechsel zwischen verschiedenen Spuren in Ableton verwenden konnten.

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Textiler Drucktaster

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Flex-Sensor (Länge: 110mm)

Umsetzung: Weitere Technik und Programmierung

Als technische Basis dienten uns zwei Teensy-Boards. Da uns sehr daran gelegen war bereits die ersten Prototypen mit einer drahtlosen Datenübertragung zu versehen setzten wir RF-Transmitter ein. Um die kabellose Stromversorgung des Senders zu gewährleisten integrierten wir einen LiPo-Charger und Akku, der das Board mit ausreichend Strom versorgte.

Größere Probleme hatten wir mit der Speicherung der unterschiedlichen Werte aller Sensoren in einem Array. Die für die kabellose Übertragung zuständige VirtualWire-Library war für uns etwas gänzlich Neues. Die Lösung der verschiedenen Probleme dauerte deutlich länger als von uns im Vorhinein veranschlagt. Schlussendlich konnten wir die Probleme nach langem Tüfteln, Hilfe von Stefan Hermann und dem Einlesen in verschiedenste Internetforen lösen.

Umsetzung: Teilmodule nähen

Aus Hygienegründen und besseren Wartungsmöglichkeiten entschieden wir uns schnell dazu statt eines gesamten Anzuges Teilmodule zu bauen. Dies half uns auch dabei die einzelnen Module präzise am Körper zu befestigen und auszurichten, so dass die korrekte Funktionsweise der Sensoren gewährleistet war.

Für die Umsetzung der Teilmodule arbeiteten wir ausschließlich mit dunklen Stoffen (Jersey und Leinen), da diese die Sensoren, Kabel und Nähte nicht sofort sichtbar werden lassen. Bereits für die ersten Prototypen nähten wir insgesamt vier Schläuche, die am oberen und unteren Ende mit Anti-Rutsch-Gummis versehen sind damit das Textil und der integrierte Flexsensor nicht verrutschen. Der Sensor ist eingebettet in eine passgenaue Tasche, die von außen auf den Schlauch aufgenäht ist. Bei Sensorausfällen kann dieser nach oben hin aus der Tasche gezogen werden.

Um den Drucksensor und die restliche Technik (Platine, RF-Sender und Akku) am Körper zu befestigen brachten wir alles auf einem 12cm breiten Gummiband an welches am Rücken mit Klettverschlüssen einstell- und verschließbar ist. Die Technik ist dabei in einer kleinen schwarzen Box versteckt. Diese hat an der Unterseite eine Öffnung zum unkomplizierten Laden des Akkus. Der Drucksensor ist bewusst an der Vorderseite des Gummibandes angebracht, da der Brustkorb eine prägnante Stelle zum Aufschlagen mit einem ebenfalls prägnanten Eigengeräusch ist.

Für den finalen Prototyp besorgten wir ein spezielles für „Wearables“ vorgesehenes Kabel, das es durch seine Flexibilität für die Tänzerin angenehmer machte mit dem Interface zu performen.

Umsetzung: Storyboard für Video

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Ergebnis: Module

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Armmodul mit Flex-Sensoren zur Manipulation der Cut-o-matic Auto Pan Rate (linker Arm) bzw. der Cut-o-matic Filter Frequenz (rechter Arm)

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Armmodule & Sendemodul am Rücken.

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Textiler Drucktaster zum Sprung in die nächste Spur.

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Beinmodule mit Flex-Sensoren. Linkes Bein: Highpass; Rechtes Bein: Lowpass. Beide Beine angewinkelt = kein Ton.

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Gummi mit Anti-Rutsch-Beschichtung für optimalen Halt.

Fritzing Sketches

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Endgültiger Lochplatinenentwurf

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Umgesetztes (leider fehlerhaftes) PCB

Fazit

Der Kurs hat uns großen Spaß gemacht. Wir sind den Bereichen Prototyping, Physical Computing, Wearables und Film wieder ein Stückchen näher gekommen und haben dabei sehr viel gelernt. Die Zusammenarbeit hat ebenfalls großen Spaß gemacht und wir denken einiges von und miteinander gelernt zu haben. Insbesondere die wöchentlichen Feedbackrunden zum aktuellen Projektstand im Kreise des gesamten Kurses waren für uns sehr inspirierend. Ein großer Dank geht außerdem an die Tänzerin Claire Cote und den Musiker Daniel Roth, welche uns bei diesem Projekt mit ihrem Input, Kritik und Ideen unterstützt haben.

Ausblick

Wir verfolgen dieses Projekt weiter.

Vor ein paar Wochen hat im Design Research Lab der Universität der Künste zu Berlin ein neues Forschungslabor namens „Fiberspace“ eröffnet,welches sich vorrangig mit textilen Technologien und –Interfaces im Bereich „Wearables“ beschäftigt. Wir streben für „Dance Machine“ weitere Umsetzungs- und Forschungsphasen im DR Lab an und haben uns auch schon in kleiner Runde dort vorgestellt. Weiterhin stehen wir in Kontakt mit dem Erfinder von „TrafoPop Berlin“ und dem Gründer des Wear It-Festivals, Thomas Gnahm, welcher reges Interesse am Projekt zeigt. Es stehen daher ebenfalls die Überlegungen im Raum, sich beim diesjährigen Wear It-Festival zu bewerben.

Mit Beendigung des Semesters und Präsentation unseres Projekts haben wir unser Semesterziel erreicht, sind aber nun umso gespannter auf das Kommende.

In Zukunft möchten wir leitendes Garn statt Kabel verwenden und nach Möglichkeiten suchen, trotzdem unser modulares System beizubehalten. Die Flexsensoren sollen präzisen textilen Sensoren weichen, die Übertragunstechnik soll zuverlässiger werden, die Soundeffekte ausgefeilter. Das erklärte Ziel bleibt jedoch gleich: Tanz und Technologie verbinden und damit den Horizont der Tänzer, Musiker und letztlich der Zuschauer erweitern.

Persönliche Reflexion

Trotz des guten Ergebnisses ist uns im Nachhinein bewusst geworden, dass wir mit der programmier-technischen Umsetzung hätten früher beginnen sollen. Unser bis dahin rudimentäres Grundwissen hat uns in eine zeitliche Bredouille manövriert, die sich in viel Stress und langen Nachtschichten äußerte. Darunter litt auch, der Formfaktor des Sendermoduls. Hinzu kam, dass unser erster Versuch eine Platine (Fritzing) ätzen zu lassen leider auf Grund eines kleinen Denkfehlers unsererseits scheiterte. Letztlich löteten wir unseren Schaltkreis notgedrungen auf einer Lochplatine.

Wie im Fazit bereits beschrieben, hat uns das Projekt trotz dieser Widrigkeiten unglaublich viel Spaß bereitet. Mit den gewonnenen Erfahrungen können wir besser vorbereitet in die nächste Projektphase übergehen.

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Stefan Hermann, der diesen Kurs voller Enthusiasmus, mit Fliege und Hosenträgern und vor allem wertvollem Fachwissen durchgeführt hat.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Sonstiges

Art des Projekts

Keine Angabe

Betreuung

foto: Stefan Hermann

Zugehöriger Workspace

Musical Interfaces 2014

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2014 / 2015

Keywords